Was ist das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren ist eine von drei anerkannten Methoden zur Wertermittlung einer Immobilie. Dabei eignet sich dieses Verfahren besonders für vermietete Wohnimmobilien oder Gewerbeimmobilien.
Welche Vor- und Nachteile das Ertragswertverfahren mit sich bringt und wie der Ertragswert ermittelt wird, zeigen wir Ihnen jetzt.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Ertragswertverfahren eignet sich vor allem für vermietete Wohn- und Gewerbeimmobilien
- Der Ertragswert wird anhand der Miet- oder Pachteinnahmen berechnet
- Bei dem Ertragswertverfahren handelt es sich um eine praxisnahe und präzise Methode der Wertermittlung
Was ist das Ertragswertverfahren?
Möchten Sie den Verkehrswert oder den langfristigen Beleihungswert Ihrer Immobilie ermitteln, kommt das Ertragswertverfahren ins Spiel.
Gerade wenn es sich bei Ihrer Immobilie um ein Mietobjekt oder ein gemischtes Wohn- und Gewerbeobjekt handelt, wird hier auf das Ertragswertverfahren zurückgegriffen.
Was hier ganz entscheidend ist: Nicht der eigentliche Wert der Immobilie zählt, sondern wie hoch der zu erwartende Ertrag aus den Mieteinnahmen ist.
Doch nicht bei allen Immobilien kann das Ertragswertverfahren angewandt werden.
Hier wird das Ertragswertverfahren angewandt:
- Vermietete Mehrfamilienhäuser
- Büro- und Geschäftshäuser
- Einkaufszentren
- Hotels
- Parkhäuser, Tankstellen, Lagerhallen
- Wohn- und Geschäftshäuser mit einer Mischnutzung
Das Ertragswertverfahren gehört neben dem Sachwertverfahren und dem Vergleichswertverfahren laut der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) zu den zulässigen Verfahren, um den Wert einer Immobilie zu bestimmen.
Welche Faktoren beeinflussen den Ertragswert?
Für die Berechnung des Immobilienwerts mithilfe des Ertragswertverfahrens sind folgende Faktoren besonders wichtig:
- Bodenwert: spiegelt den Wert des unbebauten Grundstücks wider
- Rohertrag: beinhaltet die ortsübliche Vergleichsmiete
- Bewirtschaftungskosten: alle Ausgaben, die bei der Nutzung der Immobilie anfallen, aber nicht auf den Mieter umgelegt werden
- Liegenschaftszins: der marktübliche Zinssatz der Immobilie
- Vervielfältiger: gibt an wie lange es dauert, bis die Anschaffungskosten durch den Reinertrag der Immobilie wieder ausgeglichen sind
- Sonstige wertbeeinflussende Merkmale: Faktoren, die den Wert senken, wie beispielsweise Bauschäden oder Mietbindungen oder steigern
Wie wird der Ertragswert berechnet?
Möchten Sie den Ertragswert Ihrer Immobilie berechnen, sollten Sie einen Sachverständigen, wie zum Beispiel einen Immobilienmakler oder einen Gutachter damit beauftragen.
Dieser wird das Grundstück und das Gebäude zunächst getrennt voneinander berechnen – im Anschluss addiert er dann die Werte miteinander.
Der Grund ist ganz einfach: Während das Grundstück nicht an Wert verliert, kann ein Gebäude über die Jahre einen Wertverlust erleben.
Und so sieht die Berechnung aus:
Schritt 1: Bodenwert bestimmen
Der Bodenwert errechnet sich aus dem Bodenrichtwert. Dieser Wert ist ein amtlicher Lagewert und kann bei Gutachterausschüssen für Grundstückswerte eingesehen werden.
Formel Bodenwert
Bodenrichtwert x Grundstücksfläche = Bodenwert
Beispiel: Bodenwert bestimmen
Es soll ein 120 m² großes Grundstück mit einem Dreifamilienhaus bewertet werden. Der Gutachterausschuss hat einen Bodenrichtwert von 500 Euro pro Quadratmeter für das Grundstück festgelegt. Der Bodenwert beträgt also 60.000 Euro.
500 €/m² x 120 m² = 60.000 €
Schritt 2: Reinertrag ermitteln
Der Rohertrag einer Immobilie ergibt sich aus der Jahresmiete ohne die Betriebskosten. Dabei ist jedoch nicht die aktuelle Miete ausschlaggebend, sondern die ortsübliche Vergleichsmiete.
Die Bewirtschaftungskosten sind alle Ausgaben, die bei der Nutzung der Immobilie anfallen, aber nicht auf die Mieter umgelegt werden.
Formel Reinertrag
Rohertrag – Bewirtschaftungskosten = Reinertrag
Beispiel: Reinertrag bestimmen
Die vermieteten Wohnungen haben eine Wohnfläche von insgesamt 150 m². Die ortsübliche Vergleichsmiete beträgt 9,00 Euro pro Quadratmeter, woraus sich ein Rohertrag von 16.200 Euro ergibt. Die Betriebs- und Instandhaltungskosten belaufen sich im Jahr auf rund 5.200 Euro. Daraus ergibt sich ein Reinertrag von 11.000 Euro.
16.200 € – 5.200 € = 11.000 €
Schritt 3: Grundstücksreinertrag ermitteln
Den Reinertrag des Grundstücks ermitteln Sachverständige, indem Sie den Bodenwert mit dem Liegenschaftszins multiplizieren.
Der Liegenschaftszins drückt die potenzielle Rendite des Grundstücks aus. Als Grundlage kann auf die Daten des Immobilienverbands Deutschland zurückgegriffen werden.
Formel Grundstücksreinertrag
Bodenwert x Liegenschaftszins = Grundstücksreinertrag
Beispiel: Reinertrag bestimmen
Der Liegenschaftszins für das Dreifamilienhaus in unserem Beispiel liegt bei 4,5 Prozent. Daraus ergibt sich ein Grundstücksreinertrag von 2.700 Euro.
60.000 € x 0,045 = 2.700 Euro
Schritt 4: Gebäudereinertrag ermitteln
Der Gebäudereinertrag ist der Ertrag der Immobilie ohne das Grundstück.
Hierzu wird der Grundstücksreinertrag von dem Reinertrag aus Schritt 2 abgezogen.
Formel Gebäudereinertrag
Reinertrag – Grundstücksreinertrag = Gebäudereinertrag
Beispiel: Reinertrag bestimmen
Der Reinertrag des Wohnhauses beträgt 11.000 Euro. Der Reinertrag des Grundstücks liegt bei 2.700 Euro. Daraus ergibt sich ein Gebäudereinertrag von 8.300 Euro.
11.000 € – 2.700 € = 8.300 €
Schritt 5: Gebäudeertragswert errechnen
Der Gebäudeertragswert beschreibt den Ertrag während der gesamten Nutzungsdauer eines Gebäudes.
Hierzu wird der Gebäudereinertrag mit einem Vervielfältiger multipliziert. Dieser Faktor errechnet sich aus dem Liegenschaftszins und der Restnutzungsdauer. Er ist im Bewertungsgesetz (BeWG) festgelegt.
Formel Gebäudeertragswert
Reinertrag – Grundstücksreinertrag = Gebäudereinertrag
Beispiel: Reinertrag bestimmen
Bei dem Dreifamilienhaus wird eine Restnutzungsdauer von 70 Jahren ermittelt. Bei einem Liegenschaftszins von 4,5 Prozent ergibt sich ein Vervielfältiger von 21,20. Der Gebäudeertragswert liegt demnach bei 175.960 Euro.
8.300 € x 21,20 = 175.960 €
Schritt 6: Vorläufigen Ertragswert berechnen
Der vorläufige Ertragswert sagt aus, wie hoch der Ertrag einer Immobilie ist, wenn keine Bauschäden oder sonstige wertmindernde Merkmale vorliegen.
Formel vorläufiger Ertragswert
Gebäudeertragswert + Bodenwert = vorläufiger Ertragswert
Beispiel: Vorläufigen Ertragswert bestimmen
Die Immobilie mit den drei Wohneinheiten hat einen Gebäudeertragswert von 175.960 Euro und steht auf einem Grundstück mit einem Bodenwert von 60.000 Euro. Daraus ergibt sich ein vorläufiger Ertragswert von 235.960 Euro.
175.960 € + 60.000 € = 235.960 €
Schritt 7: Endgültigen Ertragswert berechnen
Für den endgültigen Ertragswert muss überprüft werden, ob wertbeeinflussende Faktoren vorhanden sind. Dabei berücksichtigen Sachverständige sowohl wertsteigernde, als auch wertmindernde Merkmale, wie beispielsweise Baumängel oder Mietbindungen.
Formel endgültiger Ertragswert
vorläufiger Ertragswert – wertmindernde Faktoren + wertsteigernde Faktoren = endgültiger Ertragswert
Welche Vor- und Nachteile hat das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren eignet sich besonders für die Wertermittlung von Anlageobjekten. Die praxisnahe Methode macht es auch Laien möglich die Berechnung nachzuvollziehen.
Da viele Faktoren in die Berechnung mit einfließen, handelt es sich bei dem Verfahren um eine sehr präzise Wertermittlung für Immobilien.
Doch es gibt auch einige Nachteile: So werden Veränderungen der Mieten in der Berechnung nicht berücksichtigt – was vor allem für Städte mit starken Schwankungen in der Miete nachteilig ist.
Auch die starke Abhängigkeit vom Liegenschaftszins kann von Nachteil sein, da dieser in einigen Regionen nicht vorliegt.
Ertragswertverfahren: Vor- und Nachteile
Vorteile
- Praxisbezogene Methode
- Präzise Wertermittlung
- Einfach nachvollziehbar
Nachteile
- Liegenschaftszins liegt nicht in allen Regionen vor
- Präzise Wertermittlung